Alternative Geschichte 1870/71

Hier wird über Kriegskonflikte, Schlachten und Waffen der Neuzeit diskutiert.
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Majo
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Beitrag von Majo »

Ne, ich habe mich schonma im Mapping versucht, da kommt nur Schund raus, hoffe die "schwere Kost" is nich alzu schwer zu verdauen ... :lol:

Gruß Majo :wink:
Aus der Geschichte der Völker lernt man,dass die Völker aus der Geschichte nichts gelernt haben!
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Majo
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Beitrag von Majo »

...und weiter gehts...

2.2. Die Alternative zur „Emser Depesche“

2.2.1. Einführung

Wie ich in meinen Ausführungen schon deutlich gemacht habe, geht es bei der Frage nach der Unausweichlichkeit der Geschichte weniger um das Schicksal, denn Schicksal ist eine Sache des Glaubens, nicht des Wissens. Und wie ich auch schon deutlich gemacht habe, um keinem Kritiker zum Opfer zu fallen, der die empirischen Wissenschaften hochhält, habe ich mich auch zum Zufall geäußert und dabei den „Schein des Zufalls“ definiert. Auch habe ich mich zum freien Willen geäußert und behauptet, dass das irdische Gesamtgeschehen die Summe allen freien Willens ist. Nun bin ich an dem Punkt angelangt, wo ich ohne großes Hin und Her ganz klar sa-gen muss, ein Mensch zu sein. Das klingt jetzt etwas seltsam, doch wie ich auch schon angedeutet habe, neigt der Mensch dazu, eben zu meinen, dass Zufall und freier Wille, bzw. das Ursache- Wirkungs- Prinzip, sich nicht ausschließen. Denn dort, wo der freie Wille oder eben die Ursache seiner Wirkung so unverstellbar klein zu empfinden ist, naturwissenschaftlich gesagt empirisch nicht nachzuweisen sei, be-zeichnet der Mensch es als Zufall. Und aus diesem Grund, weil ich als Autor diesem menschlichen Neigen erliege und meine Leser diesem menschlichen Neigen wohl auch erliegen, werde ich den „Zufall“ in meinen Erläuterungen und Theorien spielen lassen. Vorraussetzung ist dabei allerdings, dass man einen eventuellen Wende-punkt der Geschichte wirklich als „Zufall“ bezeichnen kann. Und ich werde dies auch nur dann tun, wenn es wirklich möglich ist. Alles andere unterliegt dem Ursache- Wir-kungs- Prinzip. Das bedeutet die Folgen meiner Abänderung der Geschichte durch das Andersverlaufen eines Zufalls werden plausibel hergeleitet. Naturwissenschaft-lich beweisbar möchte man sagen.
Nun kann ich als Basis aber auch den freien Willen eines Menschen nehmen, denn für uns ist die Entscheidung eines Menschen in manchen Fällen ja nur schwer nach-vollziehbar, manchmal verstehen bzw. wissen wir überhaupt nicht, warum dieser je-mand so gehandelt hat. Vielleicht hatte er seine Gründe, vielleicht war es aber auch Zufall. Wir wissen es nicht. Wir können aber an seinem Verhaltensmuster, dass die-ser jemand normalerweise an den Tag legt und das wir auch nachvollziehen können, herausfiltern, ob er durch seine Entscheidung nach diesem Muster oder er ob durch einen anderen Beweggrund, den wir eben nicht nachvollziehen können, gehandelt hat. Würden wir nun vorher entscheiden müssen, wie dieser jemand entscheiden würde, würden wir quasi für ihn nach seinem allgemein bekannten Verhaltensmuster entscheiden, obwohl dieser jemand vielleicht genau in diesem Fall anders entschie-den hätte. Und da wir ja nicht wissen, wann er genau seinem bisherigen Kurs zuwi-derhandelt, aus welchen Gründen auch immer, können wir als Außenstehende auf-grund dieses nicht messbaren Unterschiedes, den vielleicht der Zuwiderhandelnde nicht einmal selbst erkennt, die Entscheidung eines Menschen nur als Zufall be-zeichnen.
Die Wahrscheinlichkeit, dass er nach seinem üblichen Verhaltensmuster entscheidet ist im Allgemeinen selbstverständlich höher und wird in diesem Fall auch wahrschein-lich höher sein, als dass er nicht danach entscheidet, doch beweisen kann man das nicht. Dafür reicht meine, sowie ich meine die allgemeine medizinische Kenntnis des menschlichen Gehirns nicht aus, um diese Frage zu klären. Doch das soll auch gar nicht mein Thema sein.

Auf dieser Grundlage will ich nun meine Theorie der alternativen Geschichte aufbau-en. Zu diesem Zweck habe ich mir das Thema der „Emser Depesche“ ausgesucht und die historische Wirklichkeit nach meinem Ermessen zur Genüge dargelegt, so-dass ich nun meine Spekulation beginnen lassen kann.
Doch man kann mehrere Spekulationsansätze angehen. Diese werde ich im Einzel-nen erläutern, da sie selbstverständlich unterschiedliche Folgen nach sich ziehen werden.

2.2.2. Die Weiterführung der Alternative

Ich beginne mit dem chronologisch frühesten Ansatzpunkt.

Wie wir aus der historischen Wirklichkeit wissen, hatte der preußische König Wilhelm I. sein Zugeständnis zur Zurücknahme der Kandidatur um die spanische Erbfolge, auf Frankreichs Bestreben hin, gegeben. Frankreich jedoch verlangte Garantien für diese Zurücknahme, die der allzu unhöflich auftretende französische Botschafter Be-nedetti dem König in Bad Ems forderte. Nehmen wir nun einmal an, dass Benedetti alle Regeln der Diplomatie und der Etikette beachtet und den König nicht zu einer Entscheidung nötigen würde. In diesem Falle hätte der König aufgrund der nicht vor-handenen Verstimmung durch Benedetti wohl kaum den Botschafter nicht mehr emp-fangen. Dies geht unter anderem auf Wilhelms I. Charakter zurück. Wir wissen, dass er ein sehr zurückhaltender, im Grunde bescheidener Mann war, der jeder offenen Konfrontation aus dem Weg ging, soweit er dadurch allzu sehr Schaden nehmen könne. Mit anderen Worten war er nicht sehr risikofreudig. (1)
Es hätte also keine „Emser Depesche“ gegeben, die Bismarck hätte ausnutzen kön-nen, indem er sie so provokant umschreibt, da in dieser Depesche nichts Negatives über Benedetti bzw. die Reaktion des Königs darauf hätte stehen können. Bismarck hätte also schon etwas dazudichten müssen, um die gewünschte Reaktion zu errei-chen. Doch dies hätte der König wohl kaum zugelassen. Zu sehr musste man sich dazu aus dem Fenster lehnen.
Um aber auf den eher ruhigen, gemäßigten Charakter Wilhelms I. zurückzukommen. Aufgrund seiner eher beschwichtigenden Art hätte vielleicht der König ja auch nicht so „heftig“ auf die Überschreitung des diplomatischen Taktgefühles seitens Benedet-tis reagieren müssen, falls dieser wirklich etwas polternd aufgetreten wäre. In diesem Fall hätte Bismarck auch nichts Wirkliches in der Hand gehabt.
Im Ganzen gehen wir nun also davon aus, dass Wilhelm I. Benedetti nicht für sein Fehlverhalten „bestraft“ und damit Bismarck auch keine Möglichkeit gibt, die „Emser Depesche“ so zu straffen, dass sie das patriotische und innerlich aufgewühlte Frank-reich geradezu herausfordert.
Die unmittelbare Folge ist eigentlich ganz klar zu erkennen. Es gibt keinen Grund, zumal die „Emser Depesche“ auch kein wirklicher Kriegsgrund war und die Reaktion Frankreichs auf dieselbe nur auf Unverständnis in Europa gestoßen ist, für Frank-reich, in persona Napoleons III. Preußen den Krieg zu erklären. Folglich, da Frank-reich Preußen nicht den Krieg erklärt, tritt auch das 1867 getroffene Schutz- und Trutzbündnis zwischen dem Norddeutschen Bund und den süddeutschen Kleinstaa-ten nicht in Kraft.

(1)Quelle 2, S.336; Quelle 3, S.1116/1178; Quelle 4, S.557; Quelle 6, 237
So weit, so gut, wird man sich denken, solang es keinen Krieg gibt, braucht man es ja auch nicht. Alles bleibt so wie es ist. Jedoch war es das „non plus ultra“ für die Gründung eines deutschen Reiches. Denn erst der gemeinsame Feind, vertraglich zur geschlossenen Unterstützung eines angegriffenen deutschen Staates durch eine außerdeutsche Macht gebunden, ließ die süddeutschen Kleinstaaten enger mit Preußen zusammenstehen. Bismarcks Ziel war es ohnehin, ein Deutsches Reich unter Preußens Führung zu etablieren. Damit war der Vertrag von 1867 von ent-scheidender Bedeutung. Es brauchte nur einen Anstoß von außen zu geben, um dies in die Wege zu leiten. Dieser Anstoß war die „Emser Depesche“. Doch sie gibt es nach meiner Theorie nicht.
Der Spannungshöhepunkt, nämlich der Frage um die spanische Erbfolge, wäre also langsam abgeebbt. Es hätte keine deutsche Reichsgründung gegeben, zumal die in der Wirklichkeit auch noch trotz des gewonnenen Krieges nur sehr schwer erreicht werden konnte. (1)


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Beitrag von Oberheereskommando »

au mann... da hab ich ja einiges nachzuholen, nachdem mir der rechner abgekackt war !!!

aber ich werd weiterhin am ball bleiben.. is echt super deine bisherige arbeit !!!


MkG OHK
"Wir haben es mit einem äußerst kühnen und geschickten Gegner zu tun, mit einem großen Feldherrn, wenn ich so etwas über die Schrecken des Krieges hinweg sagen darf." Winston Churchill

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Beitrag von Majo »

Joa, richtig, haste einiges nachzuholen. :lol: Ich mach auch extra etwas langsamer ^^

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Beitrag von Oberheereskommando »

brauchste nicht !!! habe fleißig gelesen... und bin wieder up-to-date !!!



MkG OHK
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Beitrag von Majo »

Sehr gut, also ...weiter gehts...

2.2.3. Die Nahfolgen

Nun müssen wir uns vor Augen führen, was ein nicht vorhandenes Deutsches Reich im Europa des ausgehenden 19. Jahrhunderts bewirkt hätte, bzw. natürlich nicht be-wirkt hätte.
Zunächst einmal gäbe es keine Entfremdung Frankreichs, da es keinen aufgezwun-genen Friedensvertrag gegeben hätte. Elsass- Lothringen wäre weiterhin bei Frank-reich verblieben. Der Grundstein für den späteren Konflikt zwischen Frankreich und dem Deutschen Reich wäre also nicht gelegt worden, zumal es auch kein Deutsches Reich gäbe. Dies bedeutet weiterhin, dass es keine gemeinsame deutsche Außenpo-litik unter der Führung Bismarcks gegeben hätte. Weiterhin wäre nach der Meinung Bismarcks, Deutschland nicht als „gesättigt“ zu bezeichnen. Bismarcks Außenpolitik als Kanzler des Norddeutschen Bundes wäre folglich aggressiver und weniger auf Ausgleich bedacht, wie nach der tatsächlichen Gründung des Deutschen Reiches, wo er bekanntermaßen als „Weichensteller“ Europas bekannt war. Sein Einfluss wä-re unter dem Hintergrund dieses Ausgangs des diplomatischen Duells zwischen Frankreich und Preußen erheblich geringer gewesen. Vor allem das Verhältnis Preu-ßens zu Österreich hätte auch keine Besserung erfahren, da Bismarck ja immer noch auf sein großes Ziel der Vereinigung der süddeutschen Kleinstaaten mit dem Nord-deutschen Bund zu einem Deutschen Reich hätte hingearbeitet und in diesem Falle wäre Österreich als der Konkurrent im Süden um die Gunst der süddeutschen Staa-ten erhalten geblieben. Ob der großen militärischen Überlegenheit Preußens, die sich schon 1866 gezeigt hatte, und dem Ende des Deutschen Bundes 1866 war je-doch der Einfluss Österreichs auf die deutsche Politik sehr geschwächt und ge-hemmt gewesen. Das heißt ein eventueller Konflikt zwischen Österreich und Preu-ßen hätte Österreich niemals im Alleingang gewagt. Wahrscheinlichster Verbündeter wäre Frankreich gewesen, auch wenn dessen Beziehungen zu Österreich in den letzten Jahrhunderten eine andere Melodie spielten. Doch für Frankreich war Preu-ßen zunächst „der“ Hauptfeind, zumal in Frankreich antideutsche, vor allem anti-preußische Parolen Konjunktur hatten. Ein eventuelles Bündnis zwischen diesen bei-den Staaten gegen Preußen wäre also im europäischen Vergleich am wahrschein-lichsten gewesen. Die Frage, wie das im Jahre 1870 innenpolitisch zerrüttete franzö-sische Kaisertum weiterexistiert hätte, ist schwer zu sagen.

(1)Die Behauptung, dass es ohne einen Einfluss von außen, beispielsweise einem Krieg, keine Reichsgründung gegeben hätte, geht zum Einen aus den schon im Teil der „Darlegung der histori-schen Wirklichkeit“ genannten Quellen hervor, zum Anderen aus folgenden Primärquellentexten:
Quelle 2, S.290; Quelle 4, S.558; Quelle 5, S.20, (2)
Die Folgen, die eine französische Republik auf einen etwaigen Konflikt hätte haben können, sind auch nicht zu vernachlässigen. Doch das Fortbestehen des französi-schen Kaisertums sehe ich als zunächst einmal eher wahrscheinlich an, da dieser außenpolitische Sieg Napoleon III. Regiment gestärkt hätte. Ich gehe also von keiner Etablierung einer 3. Republik aus.
Bismarck, ein entschiedener Russlandfreund, war für die Aufrechterhaltung der Be-ziehungen zu Russland, sodass dies sich bei dem sich anbahnenden Konflikt zwi-schen Russland und Österreich auf dem Balkan und der nicht beschwichtigenden Politik Bismarcks sich nur zu einer Befürwortung der russischen Interessen entwi-ckeln konnte, zumal man dabei auch gleichzeitig den Konkurrenten im Süden schwächte. Dies hätte wiederum eine Annäherung Österreichs an Frankreich bedeu-tet. Gleichzeitig hätte Bismarck die Beziehungen zu Italien, das Österreich nicht un-bedingt wohl gesonnen war, weiterhin aufrechterhalten, wenn nicht sogar gestärkt. Ein Dreibund also zwischen Preußen, bzw. dem Norddeutschen Bund, Russland und Italien wäre nicht nur möglich sondern auch sinnvoll und damit wahrscheinlich gewe-sen.
In einem möglichen Konflikt zwischen diesen beiden entstandenen Blöcken hätte es zu einem verfrühten Weltkrieg kommen können. Die Rolle Englands in dieser Frage allerdings bleibt ungewiss, hätte sich England doch wohl kaum in einen so ungewis-sen Konflikt mit hineinziehen lassen.
Die süddeutschen Kleinstaaten hätten nur bei einem Angriff Frankreichs auf preußi-scher Seite gestanden, bei einer umgekehrten Aggression, hätten sie wohl Neutrali-tät gewahrt, denn auf ein Österreich mit französischem Verbündeten hätten sie sich nicht eingelassen, wäre doch die Annexion bestimmter Gebiete oder die Aberken-nung gewisser Rechte durch Preußen bei einem Sieg Preußens zu gefährlich gewe-sen. Jedoch hätte Österreich und Frankreich die süddeutschen Kleinstaaten in einem kurzen Krieg überrennen können, um diese somit militärisch unschädlich zu machen oder sie vielleicht sogar zu einem Wechsel der Seiten zu bewegen. Jedoch ist eine solche Möglichkeit schon fast wieder verwerflich, auch aufgrund oben genannter Gründe. Zwar hätte Frankreich einen Großteil seiner Truppen gegen Süddeutschland einsetzen können, Österreich jedoch hätte eine lange Grenze zu verteidigen gehabt. Im Osten hätte das Russische Reich seine ganzen Kräfte gegen Österreich werfen können. Preußen wäre wohl mit der Verteidigung Deutschlands beschäftig gewesen und hätte nur wenige Truppen zu einem Angriff gegen Österreich selbst stellen kön-nen, doch das wäre nicht notwendig gewesen. Preußen wäre also zu einem Defen-sivkrieg zunächst gedrängt worden, war doch die Verteidigung Süddeutschlands eine gute Möglichkeit bei einem Sieg eine Gründung eines Deutschen Reiches herbeizu-führen. Doch für Österreich gab es noch die mögliche Front im Süden, falls Italien dem Dreibund mit Preußen und Russland treu bleibt. Ein Sieg der Bourbonen und Habsburger wäre also wohl kaum möglich gewesen, weswegen es zu einem solchen Krieg wohl auch nie gekommen wäre, doch die Möglichkeit hätte durchaus bestehen können.
Wir gehen also nun davon aus, dass eine nicht vorhandene Gründung des Deut-schen Reiches die Konkurrenz zwischen Österreich und Preußen erhalten hätte, und dies solange, bis Preußen sich als saturiert hätte bezeichnen können. Dies hieße aber bei dem Verständnis Bismarcks eine Vereinigung von Deutschlands Süden und Norden. Doch die süddeutschen Staaten, immer auf ihre Souveränität bedacht, wä-ren nie freiwillig in ein Staatenbündnis eingetreten, auch wenn es sich „Deutsches Reich“ hätte nennen lassen, war doch die Abtretung gewisser Hoheitsrechte nicht in ihrem Sinne gewesen. Ein Bund zwischen dem Norden und dem Süden hätte also einen durchaus langwierigen Weg vorweggenommen, weswegen man sagen kann, dass ohne äußere Einflüsse, sprich einem Krieg wie er 1870/71 wirklich geschehen ist, eine Reichsgründung unter einer solch herausragenden Stellung, wie der eines Kaisers, sehr unwahrscheinlich in näherer Zukunft geschehen wäre, womit es wohl eher ein Ereignis des 20. Jahrhunderts geworden wäre, wenn überhaupt.
Letztendlich gehen wir also davon aus, dass eine Reichsgründung nicht vor dem Jahre 1900 sich vollzogen hätte, vielleicht sogar bis zum heutigen Tage nicht, wer weiß. Die Spekulation wird hier zu ungenau und nicht mehr plausibel und realistisch nachvollziehbar.
Dies hätte aber nicht nur außenpolitische, sondern auch große gesellschaftliche Konsequenzen auf Deutschland. Die Sozial -und Sozialistengesetze Bismarcks hät-ten sich wohl nur auf Preußen bezogen, ein aufkeimender nationaldeutscher Patrio-tismus hätte sich nie in der Stärke entwickeln können, eher vielleicht ein Weiterent-wickeln einer national gesinnten Organisation, sei es einer Burschenschaft, einer Partei oder einem Verein.
Zudem geht die Bildung deutscher Kolonien darauf zurück, dass Deutschland „gesät-tigt“ war. Folgerung ist also, dass die Bildung von Kolonien noch in keinster Weise für die deutschen Teilsstaaten, auch für Preußen nicht, in Betracht gezogen werden konnte. Eine Errichtung von Kolonien hatte zumal verschiedene Vorraussetzungen. Die erste und unumgängliche war, dass man einen Hochseehafen und eine mehr oder weniger gut gerüstete Handels- und Kriegsmarine besitzen musste. Der einzige deutsche Staat, Österreich ausgenommen, der eine solche Bedingung erfüllen konn-te, war Preußen. Doch Preußen, unter Bismarcks Fittichen, hatte andere, ebenfalls sehr hochgesteckte Ziele. Fakt ist, dass es ohne ein Deutsches Reich auch keinen deutschen Imperialismus gegeben hätte.
Die Folgen davon wären, trotz, dass die deutschen Kolonien nicht den Einfluss auf die deutsche Wirtschaft hätten, wie vergleichsweise beim britischen Empire, vor al-lem für Deutschland erhebliche gewesen. Denn so brauchten die deutschen Staaten, womit im genauen eigentlich nur Preußen gemeint sein kann, keine Flotte aufzubau-en, sondern in anderer, sinnvollerer Weise Staatsgelder zu investieren, als in dem sinnlosen Unterfangen, mit Großbritannien wett zu rüsten. Denn wie ich schon in meinen Ausführungen über den tatsächlichen geschichtlichen Ablauf gesagt habe, hat dieses Wettrüsten dem Deutschen Reich eher geschadet, da es das Verhältnis zu Großbritannien erheblich verschlechterte und dessen Annäherung an Frankreich und dann später Russland förderte.
Zudem hätte Großbritannien Deutschland, welches ja zersplittert wäre, auch nicht als Konkurrenten im Kampf um die afrikanischen Kolonien gesehen. Wir gehen also da-von aus, dass Großbritannien in einem etwaigen Konflikt, in dem es „nur“ um konti-nentale Streitigkeiten geht, sich wohl wissend der Gefahr einer Intervention in Europa herausgehalten, evtl. aber auch aufgrund familiärer Bande mit den Hohenzollern Preußens wohlwollende Neutralität gewahrt hätte. Dies bleibt aber rein spekulativ, da im Gegenpol zu dieser familiären Bande Bismarck stand, der außenpolitisch nicht viel mehr als Neutralität für England übrig hatte, jedoch trotzdem die Annäherung mit England suchte, aber nicht zum primären Faktor seiner Außenpolitik machte. Wie die wechselseitige Beziehung also letztendlich ausgesehen hätte, bliebe eine Betrach-tung derer und eine Äußerung darüber allzu gewagt.
Nun sind wir schon an einem Punkt angelangt, der zeigt, wie nachhaltig sich eine kleine Änderung der Geschichte auswirken kann. Doch ich will noch weiter gehen.
Wir gehen also nun davon aus, dass ein Eingreifen Englands in einen größeren kon-tinentalen Konflikt sehr unwahrscheinlich wäre. Einziger Grund vielleicht für ein Ein-greifen Englands auf Österreichisch- Französischer Seite, wäre die britische Darda-nellenpolitik, welche zu gewissen Spannungen mit Russland führte (Krimkrieg).
Auf der anderen Seite war ein Sieg zusammen mit einer russisch- preußischen Koali-tion verlockender, könnte man doch auf eine Abtretung französischer Kolonien hof-fen. Doch hätte es überhaupt zu einem Krieg kommen können? Die Frage ist nicht einfach zu beurteilen. Angenommen auf dem Balkan hätten die Interessengruppen Russland und Österreich-Ungarn aufgrund der fehlenden Vermittlung Bismarcks – wahrscheinlich hätte er sogar für Russland Partei ergriffen – früher als erst mit dem Attentat 1914 mit kriegerischen Mitteln versucht, den Konflikt zu lösen, hätte es schon vorher zu einem Weltkrieg kommen können. Oder hätte es gar nicht zu einem Weltkrieg kommen müssen? Mit Sicherheit kann man sagen, dass er in dieser Kons-tellation nie stattgefunden hätte, wie es geschehen ist. Angenommen also, es hätte einen Konflikt zwischen Russland und Österreich aufgrund der unterschiedlichen In-teressen auf dem Balkan gegeben, sei es „verfrüht“ oder mit dem Anschlag auf den österreichischen Thronfolger, hätte zum einen einmal kein Deutschland als Gesamt-staat reagieren können und zum anderen hätte es folgerichtig keine deutsche „Blan-kovollmacht“ gegeben, weder von Preußen, noch von irgendeinem anderen deut-schen Staat, ganz im Gegenteil hätte Preußen sogar eher Russland unterstützt. Mitt-lerweile wäre aber in Preußen Kaiser Wilhelm I. gestorben und sein Thronerbe eben-falls wie in der realen Geschichte nach 100 Tagen aus dem Amt geschieden. Wil-helm II., ein Nationalist und Verehrer Bismarcks, der seinerseits aufgrund seines noch vorhandenen aggressiven Denkens bei Wilhelm II. gut ankommt, hätte eben-falls eine expansionistische und nationalistische Politik betrieben, ganz dem Vorbild Bismarcks. Und diese Politik würde nicht einmal mit England anecken, denn sie wäre nicht, wie seine wirkliche reale Politik weltpolitisch, sondern eher europäisch und auf eine Einheit Deutschlands bezogen, welche ja noch nicht erreicht war.
Folge wäre also wahrscheinlich ein Parteiergreifen Preußens für Russland und dar-aufhin eine Parteinahme Frankreichs für Österreich, welches mittlerweile erkannt hat-te, dass dies der einzige Weg sei, Preußen gefährlich zu werden, hoffte man doch die Majorität Preußens in Deutschland zu zerschlagen und damit eine Gefahr für Frankreich aus dem Weg zu räumen.
Doch was würden in diesem Konflikt die süddeutschen Kleinstaaten machen? Wohl-möglich hätten sie sich Preußen angeschlossen, da Bismarck - allerdings unter der Vorraussetzung, dass Bismarck noch lebt, also vor seinem natürlichen Tod 1898 - nicht so dumm gewesen wäre, Frankreich zuerst den Krieg zu erklären und sich so-mit wohlmöglich die Möglichkeit zu verbauen, die süddeutschen Kleinstaaten in die-sen Konflikt auf preußischer Seite mit hinein zu ziehen, um nach einem Sieg ein Deutsches Reich, ähnlich also wie 1870/71, zu gründen.
Weiterhin stellt sich die Frage, ob dieser Krieg wahrscheinlich gewesen wäre, da ich schon erläutert hatte, dass ein Sieg der Österreich- Französischen Koalition im Vor-feld nicht so wahrscheinlich war, wie ein Sieg der Gegenseite. Nun kann man im Vor-feld nie wirklich genau sagen, wie ein Konflikt ausgeht, doch wenn Preußen seinen Militarismus weiter gepflegt hätte und in Sachen Bewaffnung Russland im Kriegsfalle unterstützt hätte, wäre ein Sieg Österreichs, zusammen mit Frankreich, in Weite fer-ne gerückt. Zumal man ja Italien eventuell für einen Krieg hätte mobilisieren können, welches aus der Geschichte heraus mit Österreich nicht ganz grün war.
Deshalb, weil ich nicht weiß und weil es auch wohl niemand genau wüsste, wie die Österreichisch- Französische Führungsspitze agiert hätte, wenn sie im Vorfeld wüss-te, dass ein eigener Sieg nur mit viel Glück errungen werden könne, ist es aufgrund einer schwierigen Einschätzung von menschlicher Entscheidungskraft nur reine Spe-kulation, die auf keinen Fakten beruht, wenn man sagt, der Krieg hätte stattgefunden oder nicht. Man kann zwar sagen „ wären sie schlau gewesen, hätten sie es nicht riskiert“, doch ebenso hätten sie es riskieren können.
Ich will mich hier nicht festlegen, es wäre zu unplausibel begründet.

...viel Spaß und ich hoffe, dass sich noch mehr Leser OHK anschließen !!! :D

Gruß Majo :wink:
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Beitrag von Majo »

2.2.4. Die Fernauswirkungen

Wovon man aber schon fast getrost ausgehen kann ist, dass eine Ausweitung dieses doch eher europäischen Konflikts auf internationale, sozusagen globale Ebene eher unwahrscheinlich gewesen wäre. Denn eine Nichteinbeziehung Englands hätte unter keinen Umständen die Einbeziehung der Vereinigten Staaten nach sich gezogen, mit anderen Worten: die USA hätte sich nicht um diesen Konflikt geschert. Ebenfalls hät-te sich der Konflikt nicht auf den vorderen Orient ausgeweitet, wo England durch sei-ne Kolonie Ägypten keinen Krieg zusammen mit den Arabern gegen die türkische Vorherrschaft im Vorderen Orient geführt hätte. Dieser endete ja bekanntermaßen mit dem Zusammenbruch des Osmanischen Reiches und der Gründung neuer Staa-ten. Angenommen das Osmanische Reich existierte also weiter, würde das bedeu-ten, dass es keinen Arabischen Staat gegeben hätte. In Anbetracht der riesigen Öl-reserven, von denen wir heute wissen, die man für die kommende Zeit brauchte, er-scheint diese anders verlaufende Geschichte auf die spätere Weltwirtschaft gerade-zu unheimlich. Vielleicht hätte der „alte Mann am Bosporus“ einen ungeahnten Wirt-schaftsaufschwung aufgrund der Erschließung dieses neuen boomenden Wirt-schaftszweiges erlebt. Die Vorstellung ist nicht auszuschließen.
Auf der anderen Seite hätte Russland mit einem Sieg in dem alternativen Krieg zum 1. Weltkrieg die inneren Unruhen im Land wahrscheinlich ohne eine Revolution ü-berwinden und das Zarentum fortbestehen können. Zumal ein gewisser Lenin wahr-scheinlich nie eine Fahrkarte für einen „versiegelten Zug“ von der Schweiz aus quer durch Deutschland erhalten hätte. Gründe dafür sind mehr als sichtbar. Inoffiziell be-kundete die deutsche Oberste Heeresleitung im 1. Weltkrieg ein großes Interesse an einer Beendigung des Krieges mit Russland. Aus diesem Grund wollte man die Re-volution in Russland durch den später wohl größten kommunistischen Revolutionär zum entfachen bringen und so Russland zur Kapitulation zwingen, wie es dann auch kam.(1)
Doch in meinen Ausführungen führt „Deutschland“ gegen Russland ja gar keinen Krieg, ganz im Gegenteil, es führt zusammen „mit“ Russland einen Krieg. Weiterhin waren alle kontinentaleuropäischen Staaten, außer der Schweiz, wo Lenin im Exil lebte, monarchistisch. Eben aus diesem Grund lebte er, wie gesagt, in der Schweiz. Denn keine europäische Monarchie hatte das Interesse eine Revolution zu entfa-chen, auch wenn sie in einen feindlichen Staat betraf, wenn das Risiko zu groß war, dass die Revolution auf den eigenen Staat übergreift. Nun gut, Deutschland hat dies im 1. Weltkrieg dennoch gemacht.
Auf der anderen Seite hätte, wenn „Deutschland“ dies logischerweise nicht getan hätte, es Österreich tun können, um in Russland mit dem eingeschmuggelten Revo-lutionär die Revolution zu entfachen. Doch weiterhin stellt sich die Frage, ob die Re-volution auch ohne Lenin so mit nachhaltigen Entwicklungen stattgefunden hätte? Eine neue Spekulationsmöglichkeit. Weiterhin darf man auch nicht den Zeitpunkt dieses Krieges unterschätzen, der dann eine Revolution auslösen sollte. Lenin ist 1870 geboren und war zum Zeitpunkt der Oktoberrevolution bereits 47 Jahre alt. Hät-te ein junger Lenin ebenfalls die Massen bewegen können, wie es ein älterer, viel-leicht erfahrenerer getan hat? Fragen über Fragen, die weitere Spekulationen auf-werfen. Und um es noch einmal in den Mittelpunkt zu rücken. Es geht hier bei diesen Fragen um die Etablierung und die Existenz des kommunistischen Systems. Ein Sys-tem, das durch seinen Gegenpol zum aufkommenden Kapitalismus das gesamte 20. Jahrhundert bestimmt hat.


(1)Quelle 1, S.266; Quelle 3, S.1342 ff; Quelle 4, S.618 ff

Darüber hier „haarkleinst genau“ zu philosophieren, würde heißen eine Doktorarbeit zu schreiben oder dem Versuch gleichkommen, die Zeitgeschichte mit allen wirt-schaftlichen, politischen, gesellschaftlichen und religiösen Auswirkungen auf eine DIN A4 Seite schreiben zu wollen.
Ein klares Ergebnis kann ich also nicht vorlegen, aber ich kann mit Fug und Recht behaupten, dass eine Infragestellung der tatsächlichen Existenz des Kommunismus durch meine aufgeworfene Alternative, sei es mit oder ohne Krieg, ihre Berechtigung hat. Mit anderen Worten, die Etablierung und Existenz des Kommunismus, in spe-zieller Form des Leninismus(1), ist unter der Betrachtung meiner Alternative höchst fraglich.
Ebenso aber, wie ein Sieg in dieser Alternative zum 1. Weltkrieg sozusagen Russ-land genützt hätte, hätte er ebenfalls Deutschland, insbesondere Preußen genützt. Es hätte in diesem Falle zu einer Reichsgründung unter preußischer Majorität kom-men können, und zwar umso wahrscheinlicher, je zeitlich früher. Denn es bleibt un-erschlossen, ob ein ähnlich gerissener Diplomat als Nachfolger Bismarcks, es so trefflich verstanden hätte, wie eben dieser, die Interessen der anderen deutschen Staaten zu erkennen und zu kanalisieren, um diese dann in eine neue Form eines Staatengebildes zu gießen. Ich gehe also davon aus, dass die Vereinigung zu einem deutschen Reich nicht nur die Vorraussetzung haben muss, dass nur durch äußere Einwirkungen, zum Beispiel durch einen Krieg wie 1870/71, eine Vereinigung erzielt werde konnte, wie es Bismarck schon erkannt hatte, sondern das speziell Bismarck als Person durch seine persönlichen Fähigkeiten diese Reichsgründung bewirkt hat. Es gab selbstverständlich noch andere Vorraussetzungen dafür, doch sind diese meiner Meinung nach unter den gegebenen Umständen weniger relevant. Aus die-sem Grund gehe ich also davon aus, dass, falls der Krieg noch zur Amtszeit Bis-marcks, die durchaus bis zu seinem Tod hätte gehen können, stattfinden würde, eine Reichsgründung als Folgeerscheinung wahrscheinlicher wäre, wie nach dem Aus-scheiden Bismarcks aus der Politik.
Auf der darauf folgenden Friedenskonferenz hätte Russland Gebiete Österreichs ver-langt und die Gründung verschiedener Kleinstaaten auf dem Balkan auf Kosten der Donaumonarchie befürwortet. Österreich nun, auf seine deutschsprachigen Gebiete zusammengeschrumpft, hätte sich wohl nie einem Hohenzollern-Kaiser unterworfen und wäre erst in Folgezeit in das deutsche Reich integriert worden. Doch ebenso hät-te Österreich auch bis heute als unabhängiger Staat weiterexistieren können. Hier wird die Spekulation wieder zu unplausibel, als das man es als wahrscheinlich defi-nieren könnte.
Nun stellt sich die entscheidende Frage, was mit Frankreich als niedergerungener Nation, übrigens immer noch monarchistisch, geschehen sollte. Denn in diesem Krieg, quasi einem Alternativkrieg zwischen 1870/71 und 1. Weltkrieg, stand Frank-reich nun als Verlierer da. Es wäre mit Sicherheit zweifellos so, dass dort nach der Niederlage die Monarchie weiter bestanden hätte, denn im Gegensatz zu der Nieder-lage 1870/71, als in Frankreich die Kultur unter Napoleon III. aufzublühen begann, aber jäh durch die Niederlage unterdrückt wurde und so der Demokratie die Wege bereitete, würde die Niederlage bei einem später stattfindenden Krieg, die mittlerwei-le erworbenen und durch die Monarchie geförderten kulturellen Leistungen einer Re-volution keinen zusätzlichen Nährboden geben, wie ein von Unruhen fast schon zer-rüttetes Frankreich im Jahre 1870. Auch bleibt es im Ungewissen, ob Frankreich El-sass- Lothringen hätte abtreten müssen, denn mit Sicherheit hätte sich Deutschland schon an Provinzen des Habsburger Reiches bereichert, beispielsweise Böhmen und Mähren.


(1) Von Lenin an die russischen Verhältnisse angepasste Form des Marxismus
Damit wäre der Grundstein für einen späteren Konflikt mit Frankreich nicht gelegt worden, zumal Deutschland nun als Aggressor in der europäischen Politik weggefal-len wäre, denn nun hätte Deutschland sich als saturiert bezeichnen können, ebenso wie Russland, zumindest was Europa betraf. Der große Verlierer wäre Österreich gewesen, weshalb ich nun auch wieder zu der Frage komme, ob dieser Krieg denn wirklich stattgefunden hätte. In der Balkanfrage kann man aber fast sicher davon ausgehen, dass es früher oder später zu einem Konflikt der beiden Mächte Öster-reich-Ungarn und Russland gekommen wäre, in dem Preußen höchstwahrscheinlich Russland, Frankreich, weniger wahrscheinlich, aber möglich, Österreich unterstützt hätte.
Doch in beiden Fällen hätte wohl die österreichische Seite den kürzeren gezogen, denn ihr Feind hieß Russland. Und aus diesem Grund denke ich auch, dass die Be-ziehungen zu Russland das Schicksal Preußens und später Deutschlands entschei-dend bestimmt haben. In der damaligen Situation war, was z.B. in der realen Ge-schichte Wilhelm II. nicht erkannt, Russland der Dreh- und Angelpunkt.
Wenn ein Alternativkrieg zum Deutsch-Französischen Krieg und zum 1. Weltkrieg aber nicht stattgefunden hätte, es also nicht zu einer militärischen Auseinanderset-zung einer europäischen Großmacht mit einer anderen gekommen wäre, stelle ich mich auf den Standpunkt, der nicht unberechtigt ist, dass die lange Friedenszeit nach dem Wiener Kongress weiter angehalten hätte, und die Monarchie sich noch lange bis ins 20. Jahrhundert hätte retten können, vielleicht sogar bis heute, man darf das nicht verwerfen. Ähnlich wie der Friede nach dem römischen Bürgerkrieg „pax roma-na“ genannt wurde und im Römischen Reich die Wissenschaft und Kunst aufblühen ließ, könnte ein „pax europaea“ den europäischen Monarchien die Zeit geben, mit inneren Problemen fertig zu werden und so diese Staatsform weiterhin zu erhalten.
Die Befreiungswelle, die die Kolonien im 20. Jahrhundert erfasste, würden wohl auf-grund der eher härter durchgreifenden Monarchien unterdrückt werden, kommunisti-schen Revolutionen fehlte das praktische Beispiel der Sowjetunion und würden somit vielleicht überhaupt gar nicht stattfinden, zumal diese sich meist nur mit Unterstüt-zung der kommunistischen Großmächte hatten durchsetzen und halten können.
Etwas, was man auch nicht verkennen darf ist die Tatsache, dass während Kriegs-zeiten die Rüstungsforschung enorme Fortschritte macht, schon immer. Ohne die Kriege und Folgekriege, womit vor allem die beiden Weltkriege gemeint sind, hätte sich nie in einer solchen Rasanz die Entwicklung verschiedener Kriegsmittel entwi-ckelt. Hierbei zu nennen, vor allem der Panzer, der die Kriegsführung vermobilisierte, z.B. die „Blitzkriege“, weiterhin das Flugzeug, welches durch die später entwickelten Bomber den Krieg auf eine Ebene führte, die auch Zivilisten als Opfer in großer Zahl nicht ausschließt, zudem verschiedene biologische und chemische Kampfmittel und letztlich das „non plus ultra“ in Sachen menschenverachtender Kriegsführung: die Atombombe. „Der Mensch erfand die Atombombe, doch keine Maus der Welt würde eine Mausefalle konstruieren.“ - Albert Einstein (dt. Physiker (1879-1955)). Die Vor-stellung an eine Welt ohne dies alles, ist schon fast romantisch- verträumt, hat aber nicht zu verwerfende Argumente.
Was leider aber gegen eine solche lange Friedenszeit sprechen würde, die ja augen-scheinlich sehr herrliche Gegenwartsaussichten erwarten lässt, ist der Balkankonflikt, das Pulverfass Europas, und ein noch nicht saturiertes Deutschland. Aufgrund der zu weiten Entfernung von meinem Ausgangspunkt stehen meine Spekulationen aber auf einem wackeligen Gerüst. Wie man aber sieht, ist die Frage nach einem europäi-schen Krieg der Großmächte, und damit die weitere Geschichte Europas, unmittelbar mit meiner Alternative verbunden. Etwas anderes hatte ich durch meine Arbeit nicht vor: „Ein bisschen plausibel herum zu spinnen“, wie mein Vater über mein Vorhaben sagte.
Nicht für alles kann man sichere Aussagen treffen, nicht alles kann man nachvoll-ziehbar beweisen, nicht jede Spekulation darf man als wahrscheinlich ansehen. Aber im Gegenzug darf man nicht alles als unumgänglich ansehen, nicht alles als unwahr-scheinlich abstempeln. Denn wenn alles in der Zukunft möglich sein kann, dann hätte auch alles in Vergangenheit möglich sein können.
Die Tatsache, dass meine Alternative sich in nicht geringem Maße auf unsere heuti-ge Zeit auswirken würde, und dies wird meiner Meinung nach viel zu verkannt, treibt mich dazu an, noch mal zur Wurzel meiner Alternative zu kommen, wo man weitere, andere Ansatzpunkte finden kann.


Gruß Majo :wink:
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Beitrag von Oberheereskommando »

sehr, sehr interessant... in deinen betrachtungen und ausarbeitungen, kann ich gedankengänge meinerseits wieder erkennen... weiter so ;)



MkG OHK
"Wir haben es mit einem äußerst kühnen und geschickten Gegner zu tun, mit einem großen Feldherrn, wenn ich so etwas über die Schrecken des Krieges hinweg sagen darf." Winston Churchill

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