Michail Borisov und seine Heldentat bei Prohorovka

Hier wird über alles diskutiert das in die Zeit des 2. Weltkriegs fällt.
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weiser_fuchs
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Michail Borisov und seine Heldentat bei Prohorovka

Beitrag von weiser_fuchs »

Hallo alle zusammen! :) Schon lange nichts geschrieben. Meine Graka ist am Arsch und ich bin nicht so oft online. Bitte um Verständnis. Hier die versprochene Übersetzung. Das Original liegt hier http://www.iremember.ru/index.php?optio ... &Itemid=21

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Ich wurde in Altaj geboren, in einer kleinen Ortschaft namens Michajlovskoe, Bezirk Baevsk. Die Ortschaft war sehr klein: etwa 20 Häuser und dazwischen mehrere Birken. Um den Ort herum gab es Hanffelder. Damals hat man nicht gewusst, dass man Hanf auch rauchen kann. Mein Opa war alter Kasack aus Semiretschsk (weiser_fuchs: auf Deutsch: sieben Flüsse) und zog mich auf seine Art und Weise auf. Als ich erst zwei oder drei Jahre alt war, setzte er mich in den Sattel auf einen Pferd. Als ich vier war, stellte mein Vater mich Mitte des Zimmers auf einen Viereck, zeichnete an der Tür eine Zielscheibe und gab mir ein geladenes Gewehr. Ich sollte schießen. Ich schoss und er sagte, dass ich getroffen habe. Ich wusste nicht, ob das stimmte oder ob er nur gelogen hat. Wieso ich das erzähle? Damit ihr versteht, dass man mich von früher Kindheit an zur Dienst in der Armee vorbereitete. Das war einfach üblich damals…
In der Nacht auf den 22. Juni haben wir außerhalb der Stadt gefischt. Nach Hause kehrten wir erst um vier Uhr nachmittags. In unserer Straße war unsere Familie die einzige, die ein Radio hatte. Als man gesagt hat, es eine Regierungsmitteilung gleich gesagt werden wird, hat meine Mutter das Radio in das geöffnete Fenster gestellt. Da sammelten sich unsere Nachbaren. Molotov hielt die Rede. Ich kann mich gut daran erinnern, dass Leute graue Gesichter hatten. Das könnte man gut verstehen: erst vor Kurzen war der Krieg gegen Finnland zu Ende und jetzt ein neues wieder.
Am nächsten Morgen, noch vor dem Sonnenaufgang, lief ich zum Wehrkommando. Fast alle meine Altgenossen waren bereits dort. Die 18jährigen wurden genommen. Mir hat man aber abgesagt – ich bin erst vor Kurzem 17 geworden. Ich lief zum Komsomolvorsitzenden – auch eine Absage: ich sollte lieber lernen gehen; wenn man mich brauchen wird, wird man mich auch rufen. Ich lief wieder zum Wehrkommando, diesmal direkt zum Wehrkommandant. Er wollte mich auch nicht nehmen. Ich flehte ihn mit Trennen in den Augen. Schließlich gab er auf und sagte aber: „Schon gut! Aber auf die Front kommst du nicht. Stattdessen gehst du in die Schule für Artillerie nach Tomsk.“ Ich hatte keine Wahl und stimmte zu. Bereits Ende Juni war ich in den Lagern bei Jurginsk, wo eine Kommision mich überprüfte.
Ich kann mich gut an die Schüsse aus einer 76mm Kanone auf ein bewegliches Ziel erinnern. Eine Panzerattrappe aus Holz zog ein LKW hinter sich. Mit der ersten Granate habe ich die Attrappe vernichtet. Unser Kommandant Kapitän Epifanov sagte: „Es kann nicht wahr sein. Noch eine Attrappe!“ Man zog die zweite Attrappe – ich schoss sie auch mit einer Granate ab. Epifanov fluchte:“Gebt ihm keine Munition mehr, sonst bleiben wir bald ohne Attrappen!“ …Um ehrlich zu sein, sage ich, dass ich nie aus einer Pistole oder einem Gewehr schießen lernen konnte. Aus einer Kanone aber problemlos… Die Stimmung war natürlich trübe. Wir konnten nicht verstehen, warum unsere Armee sich zurückzieht. Vor dem Krieg war die Devise „Mit wenig Blut auf fremdem Territorium“. Einige sagten, dass das nur solche Strategie ist. Aber niemand kam auf die Idee, Stalin oder die Staatführung zu beschuldigen.
Wir lernten etwa vier Monate lang und als die Lage unter Moskau schwer wurde, wurden ich und noch ca. 150 Kursanten an die Front geschickt. Die meisten von uns wurden schnell „verkauft“. Und die letzten 20 – 25 – entweder die jüngeren oder mehr erfahrenen -, unter denen auch ich war, wurden nach Krasnodar in eine Infanterieschule geschickt. Wir waren den ganzen Monat unterwegs und als wir eintrafen, sahen wir ziemlich scheußlich aus. Der Schulkommandant sah uns an und sagte: „Solche Kursanten will ich nicht haben!“ Am nächsten Tag wurden wir auch „verkauft“. So wurde ich zum Richtschützen bei einem 50mm Mörser. Man muss sagen, dass das Schicksal der Mörserbesatzungen sehr hart war. Wir befanden uns unter den Infanteristen. Aber ein Infanterist kann sich überall versteckn und wir mussten auf den Knien arbeiten. Die Mörsergranate flog nur auf 400 Meter – ganz schön schwach.
Einige Zeit waren wir bei der Umgliederung und Ende Dezember gingen wir nach Temrjuk und wurden auf die Schiffe geladen. Wir nahmen an der Ausschiffung nahe Kertsch teil. …Ich hatte Seekrankheit. Es war furchtbar. Ich kletterte aufs Deck und sah, wie die deutschen Flugzeuge unsere Landungsboote angriffen. Neun Boote wurden versunken. Ich stand oben, kotzte und flehte den Gott, damit eine Bombe unser Boot trifft. Damals schien alles besser als die Seekrankheit.
Die Landung war sehr erfolgreich. Wir wurden kaum beschossen. In nur wenigen Stunden befreiten wir Kertsch. In ein Paar Tagen war nur die Hälfte unseres Zuges intakt. Die anderen waren entweder tot oder verletzt. Alle unsere Mörser wurden schon zerstört, als unsere Soldaten drei oder vier deutsche Kanonen erbeuteten. Wir verstanden schnell, wie was da funktioniert, bildeten Artilleriebesatzungen und drehten die Kanonen gegen die Deutschen um. Es gab gar keine Schwierigkeiten mit der Munition, da die Deutschen alles gelassen haben.
Nach Kertsch wurden wir in verschiedene Regimente geschickt. Am 22. März erlitt ich eine schwere Kontusion und nach dem Hospital wurde ich Ende Sommer 1942 in das 36. Garde-Schützenregiment der 14. Garde-Schützendivision geschickt. Erst dort bin ich zu einem Artilleristen wieder – Richtschütze der 45mm Kanone. Die Infanteristen und wir selbst haben unsere Kanonen als „Auf Wiedersehen, liebe Heimat!“ oder „Der Tod der Besatzung“ genannt. Innerhalb der vier Monate bei Stalingrad wechselte sich die Besatzung meiner Kanone fünfmal komplett. Und ich wurde nicht einmal gekratzt. Das finde ich Schicksal – wie es bei der Geburt bestimmt wurde, wird es.

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Die Fortsetzung folgt.
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Re: Michail Borisov und seine Heldentat bei Prohorovka

Beitrag von weiser_fuchs »

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Was kann ich denn euch über die Schlacht um Stalingrad erzählen? Unsere Division überquerte den Don nördlicher von Stalingrad und kämpfte vier Monate lang, um den Platzdarm zu vergrößern, und lehnte die deutschen Kräfte von der Stadt ab. Am 1. September standen wir in der zweiten Staffel. Einige der Soldaten waren beim Rasieren, die anderen taten sonst noch was, als über uns sehr niedrig ein deutscher Zweidecker flog. „Henschel“ haben wir sie damals genannt. Alle fingen an zu schießen. Das Flugzeug begann die Höhe zu verlieren und fiel dann auf den Boden. Wir rannten zu ihm… Nur ein einziger Kugel traf den Piloten, und zwar: genau ins Herz. Und auf dem Rücksitz saß â€“ wie es uns später gesagt wurde – irgendein Major der deutschen Abwehrorgane.
In folgenden Kämpfen besetzten wir einen Teil des Dorfes Osinovka – so hieß es, wenn ich mich nicht irre. Tagsüber saßen wir in einem Keller und nachts brachte man uns Lebensmitteln. Tagsüber konnte niemand zu uns durch. Einmal brachte man uns einen ganzen geschlachteten Hammel. Kein Brot, aber jede Menge Fleisch. Auf unserer Dorfseite, etwa 150 Meter von unserem Keller entfernt brantte ein Haus. Ich schnitt etwas Fleisch in mein Kochgeschirr und ging zum brennenden Haus, um das Fleisch zu braten. Es wurde nicht geschossen und ich ging ganz gerade. Ich stellte das Geschirr auf die Kohle und in diesen Moment fielen paar Schüsse aus einem Maschinengewehr. Mein Topf fällt auf die Seite und ich verstecke mich hinter eine Mauer. Ich dachte in diesen Moment viel mehr an mein Geschirr und an das Fett, das aus dem wegfließt, als an dass man mich beinahe getötet hätte. Ich wartete etwas ab und ging vorsichtig mein Essen retten. Als ich nur die Hand dazu zog, fielen neue Schüsse auf die Kohle und ich versteckte mich erneut hinter die Mauer. Es war klar, dass man mich jeden Moment töten könnte, hätte man das gewollt. Man schoss aber nur aus Spaß. Ich entschied mich lieber nicht mehr zu riskieren und ging zurück.
In der nächsten Nacht gingen an uns Infanteristen vorbei. Wir fragten: „Zieht ihr euch zurück?“ – „Nein, wir werden gewechselt.“ Das war wohl eine Lüge. Bald zeigte sich eine Gruppe von Soldaten. Der Wachmann schrie: „Halt! Wer ist da?“ – Schweigen. – „Halt! Oder ich werde schießen!“ – Schweigen. Der Wachmann drückte auf den Abzug, aber seine Maschinenpistole schoss nicht. Wieso PPSch schlecht war? Etwas Sand oder Rost und er fiel einfach aus. Der Wachmann lief zu uns in den Keller herein und schrie: „Aufstehen! Die Deutschen sind da!“ Da brauchte man kein anderes Kommando mehr. Ich sprang nur in den Socken aus dem Keller heraus. Die Stiefel blieben im Keller und das Panorama nahm ich mit. Die Deutschen waren schon ganz nah und schossen aus den Maschinenpistolen: „Alle rus vperjod!“ In dieser Zeit spürten sie noch ihre Überlegenheit und verspotteten uns gerne. Wir laufen weg und die Deutschen schießen überall Beleuchtungsraketen in den Himmel – hell wie am Tag. Eine Rakete fiel neben mir und in ihrem Licht wurde ich zu einem perfekten Ziel. Ich fiel zu Boden und, als sie aufhörte zu brennen, rannte weiter zum Fluss und über den. Und die ganze Zeit das Panorama mit in der Hand. Die Stiefel dort gelassen und das Panorama herausgetragen.

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Die Fortsetzung folgt.
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Re: Michail Borisov und seine Heldentat bei Prohorovka

Beitrag von weiser_fuchs »

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Am Morgen mussten wir in die Sonderabteilung der Abwehr. Zu mir hatten sie keine Fragen, da ich das Panorama mit raustrug. Unser Zugkommandant Leutnant Kusnezow hatte aber Probleme. Ihm wurde gesagt: „Wenn du die Kanonen nicht zurück bringst, gehst du vor Tribunal.“ Wir gingen nachts, banden Leinen an die Kanonen und zogen sie so bis an das Ufer. Man hat uns entdeckt, als wir die Kanonen vom steilen Ufer aufs Eis warfen. Dann fingen die Deutschen an zu feuern, aber es war schon zu spät. Unter dem Schutz des Ufers zogen wir die Kanonen zu unseren Stellungen.
In der Erinnerung ist noch ein Fall mit den unterkalibrigen Geschossen frisch. Das geschah im Dorf Petrovka. Die unterkalibrigen Geschosse erschienen bei uns erst Ende 1942. Wir bekamen nur zwei Stück davon pro Kanone und man warnte uns, dass diese Geschosse geheim seien. Und wir verloren sie. Es war so. Die Partisanen haben uns nachts in das Hinterland des Gegners geführt. Im Morgengrauen sollten unsere Streitkräfte Petrovka von vorne und hinten angreifen und besetzen. Ein Infanteriebataillon erhielt zur Unterstützung unseren Zug der 45mm Kanonen, einen Mörserzug und noch einen Zug mit den Panzerbüchsen. Nachts gingen wir durch Schluchten hinter die deutschen Positionen und mit Sonnenaufgang begann der Angriff. Unsere Kräfte besetzten mit Leichtigkeit den hinteren Teil des Dorfes und die Kräfte, die von vorne angriffen, zogen sich zurück. Und so gerieten wir in den Kessel, aber wir wussten das noch nicht. Einige Soldaten gingen schon in die Häuser. Einige begannen sich zu rasieren usw. Und ich blieb mit noch einem Artilleristen – Podkorytov war sein Name – an der Kanone. Plötzlich sahen wir in ca. zwei Kilometern von uns entfernt erscheinen deutsche LKWs. Mit den Augen konnte man sie essen, aber man konnte nichts tun. Sie fuhren bis auf 800 Meter und aus denen sprangen die Infanteristen heraus, die dann in unsere Richtung liefen. Die Kugeln pfeifen. Wir sprangen in ein Schutzgraben. Bald schlugen die Kugeln schon um uns herum. Wir sprangen aus dem Schutzgraben und versteckten uns hinter der Kanone. Die Soldaten aus unserem Bataillon liefen von den Häusern zu uns. Unser Zugkommandant lief mit weißem Gesicht zu uns: „Jungs, haben wir noch Zeit, um die Kanonen anzuhängen?“ Haben wir Zeit oder nicht, war nicht die Frage – wir mussten das schaffen. Man führte die Pferde her. Wir hingen die Kanonen an. Die Deutschen schießen uns schon in den Rücken. Und dann plötzlich Feuerstoß aus einem Maschinengewehr – unsere Pferde fallen zu Boden. Und wir rennen einfach weg. In der Hand halte ich fest das Panorama von der Kanone. Die ließ ich nie weg: weder nachts, noch tagsüber.
Deutsche Flugzeuge erschienen von irgendwo her und nahmen uns auch unter Beschuss. Irgendwann fiel mir auf einmal ein, dass ich mich unter einer Leiche zu verstecken versuchte, obwohl ich verstand, dass ein Menschenkörper keinen Schutz geben kann. In solchen Situationen verlaufen manche Handlungen außer Bewusst und entsprechen der Realität nicht mehr. (Einmal geriet ich unter Karussell aus deutschen Bombern. Ich lief nur etwa 50 Meter von der Straße weg, fiel zu Boden und all die 15 bis 20 Minuten, während die Flugzeige uns beschossen haben, lag ich und hielt den Kasten mit dem Panorama über meinem Kopf, obgleich ich wusste, dass er keinen Schutz von einem großkalibrigen Maschinengewehr oder von Splittern bat. Das Unterbewusstsein befahl aber, dass man irgendetwas über dem Kopf halten soll. Als der Angriff vorbei war, wachte ich Mitte der Straße stehend auf. Wie ich auf die Straße kam, daran konnte ich mich nicht erinnern. Ich glaube, das war psychologischer Schock.)
Also, schafften wir da irgendwie raus und liefen in das deutsche Hinterland. Aus unserem Zug sind nur sieben geblieben, noch einige Mörser-Artilleristen und ein Paar Infanteristen – insgesamt vielleicht siebzehn Personen. Müde und überkühlt fanden wir einen Heuhaufen und kletterten in den hinein. Ich lag da und dachte mir: „Die Deutschen laufen hinter uns. Wenn nicht jetzt, dann in einer halben Stunde kommen sie hierher und nehmen uns mit bloßen Händen.“ Ich kletterte aus dem Heu heraus. Die anderen auch. Und wir liefen weiter. In einem Dorf baten wir bei den Zivilisten um Essen. „Es tut uns leid, Jungs, aber wir haben nichts außer Kleie“ [weiser_fuchs: Ich bin mir nicht sicher bei diesem Wort. Vielleicht ist das auch Fruchtkuchen. Das ist also etwas, was vom Getreide beim Mehlen übrig bleibt. Eigentlich kann man das kaum essen, weil das nach Heu oder Stroh schmeckt.] – „Geben Sie uns Kleie!“ Du kannst dir nicht vorstellen, wie gut sie schmeckt, wenn der Bauch vor Hunger knurrt.
Unsere Gruppe teilte sich in zwei. Die Schützen und die Mörser-Artilleristen gingen etwas nach rechts weiter. Und die Reste unseres Zuges kletterten auf einen Hügel und gruben kleine Graben, um sich vor dem Wind zu schützen. Einer von uns schlug vor, unsere Dokumente einzugraben, und die anderen stimmten zu. Ich versteckte meine Dokumente auch. Wir warteten bis es dunkel wurde. Unter dem Hügel war eine Straße, wo fast immer gegnerische Autos und Kutschen fuhren. Und dann erschien auf der Straße ein sehr langer Zug aus Kutschen. Anscheinend waren das Rumäne, die irgendwas irgendwohin transportierten. Wir warteten und warteten. Und der Zug hatte kein Ende. Wir konnten nicht mehr warten und gingen vorsichtig zur Straße, die wir überqueren mussten. Einer ging hinter einer Kutsche her, die anderen – hinter den anderen. Und dann auf die andere Seite der Straße – ins Gebüsch. In einem Kilometer von der Straße sammelten wir uns wieder. Einer von uns klaute aus der Kutsche eine Flasche. Wir hatten alle Durst und dachten, dass es vielleicht Wasser oder Wein war. Ich machte einen Schluck… Scheiße! Das war Sonnenblumenöl. Dennoch hat jeder von uns einen Schluck davon aus der Flasche gemacht, weil wir alle richtig Hunger hatten. Bald erreichten wir Donez. Auf dem dünnen Eis überquerten wir kriechend den Fluss und begegneten in einer halben Stunde den Resten unseres Zuges. Als erstes fragten wir nach dem Essen. Sie hatten aber nur Mehl, das wir mit Wasser gemischt haben und so was aßen bzw. tranken. Das war unser Frühstück, Mittag- und Abendessen.
Wir wurden wieder in die Abwehrabteilung gerufen. „Dokumente?“- fragte man mich. – „Eingegraben.“ – „Wir überprüfen das. Und wo ist das Panorama?“ – „Hier.“ – „Gut. Zu dir keine Fragen mehr. Geh!“ Zu den anderen hatten sie auch keine Fragen. Der zweite Richtschütze trug sein Panorama auch heraus. Und unser Zugkommandeur Leutnant Kusnezow wurde für den Verlust der Kanonen, der unterkalibrigen Geschösse und für den letzten Vorfall vor Tribunal gestellt. (1945 traf ich ihn zufällig auf einer Brücke über Oder. Er war schon Kapitän und den Stabskommandant in einen Artillerieregiment. Er erzählte mir, dass er in ein Strafbataillon geschickt wurde. Im ersten Gefecht wurde er verletzt und somit hat er seine Vorstrafe mit eigenem Blut weggewischt. Wir gaben einander unsere Adressen.)
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Re: Michail Borisov und seine Heldentat bei Prohorovka

Beitrag von weiser_fuchs »

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In Staniza Morozovskaja erbeuteten wir riesige deutsche Armeeläger mit Proviant. Wir und die örtlichen Zivilisten haben davon richtig Nutzen gemacht. Als wir durch die Straßen gingen, zogen die Zivilisten unsere Soldaten aus den Reihen einfach aus und brachten sie zu sich nach Hause. Zu mir kam eine sehr alte Oma mit Tränen in Augen: „Söhnchen, alle haben schon Gäste und zu mir geht niemand. Komm zu mir!“ Ich ging. In einem Zimmer hatte sie schon Töpfe mit heißem Wasser, in anderem Zimmer – einen großen Trog und saubere Wäsche nebenan. Sie sagte: „Wasche dich, Söhnchen! Wechsle deine Wäsche. Die schmutzigen wirf in die Ecke – ich wasche sie später.“ – „Ich brauche keine neue Wäsche.“ – „Nein, ziehe dich um. Das sind Sachen meines Sohnes. Vielleicht wird er auch irgendwo von jemandem verpflegt.“ Ich wusch mich und zog mich um. Als ich aus dem Zimmer rausging, stand auf dem Tisch in der Küche schon eine Pfanne voll gebratener Kartoffel und dazu Schmorfleisch aus den Dosen. Kartoffel war natürlich ihr eigenes und das Dosenfleisch stammte aus den deutschen Lägern. Zum ersten Mal auf der Front aß ich satt! Ich sagte der Oma: „Danke, danke!“ Und sie: „Und euch danke, dass ihr gekommen seid.“
Ich ging nach Unseren suchen. Ich kam in ein Haus hinein und sah: alle sitzen und liegen schon satt um den Tisch herum und am Tisch sitzt noch nur unser Fahrer Ilja Belikow – ein Riese mit ca. 185 cm Größe und fast 100 kg Gewicht. Wenn es uns, „Kleinwüchsigen“, zu wenig an Essen auf der Front gab, was kann man schon über ihn sagen?! Also, er sitzt. Vor ihm steht eine große Pfanne, wo Kartoffel und Fleisch waren. Sie ist schon leer, aber er kratzt sie immer noch mit einem Löffel und an seiner Stirn hängen Schweißtropfen vor Mühe. Bald hörte er doch auf und ging in das Hof heraus. Als ich in einigen Minuten ihm nach draußen folgte, sah ich ihn auf einer Kanone sitzen. Auf einem Knie hielt er ein Fass mit deutscher Marmelade und aß diese Delikatesse mit einem Pionierspaten. Ein normaler Löffel war ihm wohl dafür zu klein. Da lachten wir ein wenig.
In dem Winter gab es kein Essen für Pferde. Das Futter brachte man uns sehr selten. Wir wurden gezwungen, Strohdächer auseinander zu nehmen. Das Stroh mischte man mit dem Ton und gab diese Mischung den Pferden, obwohl es auch kein richtiges Essen war. Die Pferde konnten nicht mal sich selbst ziehen, ganz zu schweigen von einer Kanone. Vor einem Hügel ließ dieser Belikow die Pferde frei, zog sie nach oben. Dann ging er wieder runter und zog die 45mm Kanone allein nach oben. Als ich später in eine mechanisierte Brigade kam, atmete ich mit Erleichterung. Ich mag Pferde, aber im Krieg ist das ein falsches Transportmittel.
Mit Belikow gab es noch eine Geschichte. Einmal schickten wir ihn zur Feldküche. Er stopfte seinen Rucksack mit Broten. Wie er uns das später erzählte: „Ich gehe und denke: ich muss sofort was essen, sonst falle ich zu Boden!“ Er aß ein Stückchen von Brot, dann noch ein und noch ein… bis er ein ganzes Brötchen verdrückt hat. Er wurde müde und schläfrig. Er überlegte, dass er jetzt eine halbe Stunde sich ein Schläfchen gönnt und dann im Laufen die Zeit nachholt. Als er wach wurde, stand die Sonne kurz vor dem Untergang. Er dachte: „Die Jungs werden mir den Kopf abreißen. Sie sitzen dort ja am Verhungern!“ Er rannte und spürte sein Fersen tut ihm weh. Als er sein Bein anschaute, sah er, dass sein Stifel von hinten zerschmettert und voll in Blut ist. Während er schlief, explodierte in seiner Nähe eine Mörsergranate und einige ihrer Splitter trafen seinen Fuß. Und er wachte dabei nicht mal auf! Wir legten ihm ein Verband. In das Sanitärbataillon ging er nicht. Wir waren jung und alles heilte sich sehr schnell.

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Re: Michail Borisov und seine Heldentat bei Prohorovka

Beitrag von weiser_fuchs »

Ich habe überall meine Signatur entfernt, damit man den Text bequemer lesen konnte. :arrow:

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Anfang 1943 wurde unsere Division auf einen anderen Frontabschnitt abgezogen. Ich weiß jetzt nicht mehr, wohin genau. Ich war stark erkältet und hatte wahrscheinlich hohe Temperatur und Fieber. Wir gingen nachts im starken Schneefall. Ich hielt mich mit beiden Händen an den Trosswagen und war im Halbschlaf vor Übermüdigkeit und wegen der Erkältung. Die Hände rutschten ab – ich fiel auf die Straße und wurde dabei nicht wach. Die Kameraden haben das bemerkt und weckten mich auf. Ich ging noch Paar hundert Meter und fiel wieder in den Schnee. Diesmal hat das niemand bemerkt. Als ich wach wurde, war niemand mehr da. Ich saß auf der Straße und versuchte zu verstehen, in welche Richtung ich mich begeben soll. Die Krankheit und hohes Fieber behinderten das Denken der Massen, dass ich mich auf dem Straßenrande ins Schnee legte und einschlief. Einige Minuten später fuhr auf der Straße ein Auto, in dem sich der Chef der Politikabteilung der 58. mechanisierten Brigade des 2. Panzerkorps Major Schtschukin befand (das wurde mir später gesagt). Er bemerkte mich auf der Straße, ließ mich in sein Auto packen und brachte mich zum Sanitärbataillon. Als ich mich in einiger Zeit von der Krankheit erholte, versetzte man mich als Richtschütze an eine ZiS-3 Kanone in eine Panzervernichtungsartilleriedivision.
Es sind sehr viele Jahre nach dem Krieg vergangen. Ich wurde schon zum Mitglied an dem Schriftstellerverein und entschied mich Memoiren zu schreiben. Über zwei Monate saß ich im Archiv des Verteidigungsministeriums in Podolsk, blätterte Dokumente der 14. Garde-Schützendivision. In meine Hände kamen Berichte der Politikabteilung der Division mit Information, dass am nächsten Morgen nach der Nacht, wo ich wegen der Erkältung in den Schnee gefallen war, meine Division zur Verteidigung überging. Die Gefechtsstellungen nahm auch meine Batterie der 45 mm Kanonen. Bei einem Flugangriff wurde die gesamte Artilleriebesatzung des Kommandanten Sergeant Iljitschenko getötet. Das war meine Kanone. Wäre ich nicht krank und fiel ich auf der Straße nicht in den Schnee, wäre ich mit ihnen…
Ein Paar Worte über ZiS-3 Kanone. Sie war leicht. Wenn aus ganzer Kraft, konnte ich sie allein umdrehen. Und zu zweit war das schon gar kein Problem. Zu zweit konnte man sie schon ziehen. Und mit fünf Mann konnte man sie sogar durch den Sand schleppen. Horizontale und vertikale Winkel waren sehr groß. Sehr selten musste man sie über die Stütze drehen. Nur einen Nachteil hatte die Kanone – die Entfernung für direkten Schuss betrug nur 600 Meter.
Wir übergingen zum Angriff. Im Gebiet Voroschilovgrad [weiser_fuchs: heutzutage heißt die Stadt Lugansk] sah ich zum ersten und einzigen Mall eine psychologische Attacke der Deutschen. Sie gingen mit drei Reihen hintereinander und die Entfernung zwischen den Soldaten in jeder Reihe war nur ein halbes Meter. Das war furchtbar. Man hat uns später gesagt, dass das eine erst vor Kurzen aus Frankreich eingetroffene Division war. Hier kam sie noch nie zum Einsatz. Wir ließen sie bis auf 400 Meter kommen und eröffneten das Feuer. Das war schrecklich – es waren so viele von denen. Zu Hilfe kamen noch zwei Besatzungen mit Maschinengewehren – es wurde leichter. Ich schoss auf die Infanterie, als unser Zugkommandant Leutnant Volodja Krasnonosow zu mir sagte: „Mischa, gucke mal – da auf dem Hügel fährt ein LKW mit Soldaten und zieht eine Kanone!“ Ich schickte nur eine Granate hin – der Waren flog in die Luft, die Kanone purzelte – und nahm wieder die Soldaten unter Beschuss. Wir haben sie alle getötet. Unsere Jungs gingen danach ins Feld, um nach Flaschen mit Kognak zu suchen. Wenn die schon aus Frankreich waren, sollten sie auch Kognak mit haben… Es gab viele Flaschen… sehr viele. Jeder Soldat hatte eine. Aber es gab keinen Kognak drin. Weil alle Flaschen durch gelöchert wurden. So dicht war das Feuer. Als wir auf dem Krim aus deutschen Kanonen geschossen hatten, hatte sich niemand bedankt. Und hier hörte ich zum ersten Mal vom Zugkommandant: „Danke! Du hast gut geschossen.“

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Re: Michail Borisov und seine Heldentat bei Prohorovka

Beitrag von weiser_fuchs »

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In zwei Tagen, entweder am 11. oder am 12. Februar, kamen wir nach Sowchos „Tscheljuskinez“. In unserem Zug blieb nur eine Kanone. Wo die zweite Kanone war, weiß ich nicht, aber mit unserer Kanone war auch der Zugkommandant. Die Kanone stellten wir am letzten Haus in der Straße. Hinter dem Haus war eine Schlucht. Bei uns gab es keine Infanteristen und wo sich der Feind befand, wussten wir auch nicht. Auf einmal sahen wir hinter der Schlucht ein Panzer mit deutschen Kreuzen fahren. Ich befahl: „Panzerbrechende Granate!“ Geladen. Ich drehte Kurbelräder – gleich sollte der Schuss kommen. Plötzlich läuft aus der Schlucht ein Mensch in einem Soldatenmantel mit Abzeichen eines Obersten. In der Hand eine Pistole. Läuft zu mir: „Nicht schießen! Das ist unser Panzer!“ Ich sage: „Wie denn unser?! Da sind Kreuze drauf!“ Er schreit: „Nicht schießen!“ Der Zugkommandant befehlt: „Nicht feuern!“ Der Oberst verschwand hinter dem Haus – mehr sahen wir ihn nicht. Der Panzer fuhr hinter ein Gebüsch und schoss auf uns. Die Granate flog in wenigen Zentimetern über der Kanone und zerschmetterte eine Wand des Hauses hinter uns. Für uns war es schon zu spät, das Feuer zu eröffnen. Später redeten wir untereinander, dass das wohl ein deutscher Spion war. Ich kann das nicht behaupten, aber ich kann mir bis jetzt nicht verzeihen, dass ich ihm und dem Zugkommandanten zugehört habe. Wir mussten ihn aufhalten und dann sollte man schon klären, wer er in Wirklichkeit ist. Der Panzer gab nur einen einzigen Schuss und verschwand. Während wir darüber diskutiert haben, fingen um uns herum Kugeln zu pfeifen. Wir schauten uns um – an der rechten Flanke direkt auf uns ging im tiefen Schnee deutsche Infanterie. Die Entfernung war etwa 100 Meter. Wir drehten unsere Kanone um und eröffneten das Feuer. Viele von denen töteten wir da. Etwa 15 bis 20 Granaten schossen wir und diejenigen, wer noch am Leben war, fielen in den Schnee. Ich begann auf die Kronen der einzelnen Bäume zu schießen, die in der Nähe der im Schnee liegenden Deutschen wuchsen. Und sie hielten das schließlich nicht aus – hoben sich hoch und rannten in die Schlucht. Nicht mehr als zehn Soldaten standen auf. Wir drehten die Kanone wieder um und hätten die Deutschen sich an der anderen Seite der Schlucht gezeigt, hätten wir sie vernichtet. In diesem Moment kam zu uns unsere Aufklärung mit Maschinenpistolen. Wir sagten ihnen: „Jungs, in der Schlucht sind Deutsche!“ Sie bildeten eine Reihe der Schlucht entlang und eröffneten das Feuer. Die Deutschen wurden erschossen. Nur ein einziger Soldat kletterte noch an der Gegenseite der Schlucht aus letzten Kräften nach oben. Das Feuer aus den Maschinenpistolen konnte ihn nicht mehr erreichen. Volodja Krasnonosow nahm einen Karabiner, legte ihn auf die Lafette der Kanone, zielte an – ein Schuss. Und der Deutsche fiel mit der Nase in den Schnee. Später gingen wir mit Volodja Krasnonosow auf dieses Feld und begannen aus Interesse die Getöteten zu zählen. Bei etwa 140 Leichen hörten wir auf. Also, auf meiner Rechnung waren nun ca. 100 für die psychologische Attacke und 150 für diese. Außerdem habe ich in einem Gefecht einen Panzerwagen abgeschossen. Man schlug mich zu dem Rotbanner Orden vor. Vor zwei Tagen sprach der Kommandeur ein Dankeschön aus und hier noch ein Orden! Einige Monate spürte ich unter mir keine Füße. Den Orden bekam ich aber nicht. Unser 2. Panzerkorps gehörte zu Reserve des Oberkommandos und wir hatten an einigen Tagen zwei oder sogar drei Mal verschiedene Befehlshaber. Da aber nur der Oberkommandant der Armee mit solchem Orden auszeichnen konnte und wir ständig die Armeen wechselten… In jeder Armee waren wir Fremde – daher keine Auszeichnungen für uns.
Ich fühlte mich etwas beleidigt. Manche Kriegsveteranen sagen jetzt, dass sie nicht für Aufzeichnungen gekämpft haben. Natürlich nicht!.. Aber ich kenne auch keinen, wer gesagt hat: „Nein, danke! Ich kämpfe nicht für Auszeichnungen.“ Jeder wollte, dass man ihn bemerkt, lobt, irgendwie auszeichnet…
Und danach war unser Marsch nach Charkow und unser ruhmloser Rückzug von dort. An meinem Geburtstag, am 22. März 1943 erlitt ich eine Kontusion. Einen Tag verbrachte ich im Sanitärbataillon und ging da weg. An der Batterie bekam ich noch fast eine ganze Woche frei, erholte mich etwas und fing an wie die anderen zu arbeiten. Wir zogen uns wieder zum Fluss Severnyj Donez zurück. Da mussten wir fiel schießen. An Munition reichte es. Das war deutlich besser als unter Stalingrad – zwei Granaten am Tag.
Bald wurden wir für Umgliederung zu Staryj Oskol abgezogen. Unsere Brigade wurde in die 58. motorisierte Schützenbrigade umbenannt. Ende März rief man mich in die Politikabteilung und ernannte zum Komsorg der Division, obwohl ich nur Untersergeant war. Anscheinend sprach für mich meine relativ hohe Ausbildung. Ich stimmte zu und tauchte komplet in die Komsomol-Arbeit hinein. Natürlich hatte Komsorg der Division auch normale Aufgaben. Aber ich wurde von denen befreit. Das gefiel weder dem Kommandanten des Bataillons, noch dem Kommandanten der Division. Aber sie konnten nichts machen, weil das direkter Befehl von oben war. Man muss sagen, dass fast 80% der Division Komsomolzen waren. Sie trugen eigentlich den Krieg auf ihren Schultern. An ältere Menschen hatten wir wenigen als 10%. Und noch etwa 10% waren Leute des mittleren Alters. Es gab sehr viel Arbeit mit der Jugend. Das waren alles Menschen aus verschiedenen Schichten der Gesellschaft, mit unterschiedlichem Bildungsniveau und von verschiedenen Nationen. Und man musste aus ihnen ein Soldatenkollektiv bilden, um im Kampf mehr zu erreichen. Mehr als Hälfte hatte keine Kriegserfahrung.
Und bald begann die Schlacht um Kursk. :!:
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Re: Michail Borisov und seine Heldentat bei Prohorovka

Beitrag von weiser_fuchs »

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Wir standen fast in 100 km von der vordersten Linie der Front, aber den Soldaten konnte man nicht täuschen. Es stand in der Luft, dass etwas bald passieren wird. In Erinnerung blieb das Bild: Mitte der Nacht donnerte es von Artillerie in Westen, die Blicken der Explosionen sah man über das ganze Horizont. Da dachte ich mir: es ging los. Alarm ertönte. Alle liefen an ihre Positionen. Die Panzerbrigaden bekamen ihre Befehle und gingen an die Vorderfront weg. Bald gingen auch motorisierte Schützeneinheiten weg. Und wir blieben aus irgendeinem Grund bis zu Sonnenaufgang am 11. Juli in unseren Stellungen. Zwei Batterien bekamen den Befehl Abwehrstellungen auszubauen und zu bleiben. Und unsere Batterie bekam den Befehl, die Straße von Jakovlevo auf damals für niemanden bekanntes Dorf Prohorovka zu decken. Wir fuhren in den mit Munition beladenen LKWs, die auch unsere Kanonen zogen. Prohorovka und das rechts von uns liegende Sowchos „Oktjabrskij“ standen in Flammen. Der dichte Rauch ging nieder über der Erde. Plötzlich schrie jemand: „Panzer vorne!“ und sofort: „Kanonen zum Gefecht!“ Wir Sprangen aus den LKWs und sahen, wie auf einer Berührungslinie zu uns, in unsere Richtung, breite niedrige Panzer fuhren. Solche haben wir früher noch nie gesehen. Wir zählten 19 Stück auf.
Die Kanonen wurden im leeren Feld, ohne Tarnung und ohne Schutz gestellt. Zeitlich schafften wir nur die Stützen etwas einzugraben und die Munition von den Wagen in einen Stapel hinter den in eine Reihe gestellten Kanonen abzulegen. Die Wagen fuhr man weg. Wir bereiteten uns zum Gefecht. Die Deutschen bemerkten uns nicht. Der dichte Rauch verbarg uns und unsere Vorbereitungen vor ihren Augen. Hätten sie uns gesehen, wäre von uns nicht mal eine nasse Stelle geblieben. Der Batteriekommandant Oberleutnant Pavel Ivanovitsch Azhippo lief von einer Kanone zu der anderen und sagte: „Jungs, nicht schießen! Lasst sie näher kommen!“ Wir ließen sie auf etwa 500 Meter kommen und als sie sich uns von der Seite zeigten, eröffneten wir das Feuer. Nach dem ersten Feuerstoß unserer Kanonen gerieten zwei Panzer in Flammen. Wir atmeten erleichtert – diese brennen also auch. Eben waren das noch 19 und jetzt sind das nur 17 geblieben. Die Panzerbesatzungen bemerkten uns und eröffneten das Gegenfeuer. Von irgendwo rechts fingen die schweren Mörser zu schießen. Über uns flogen zwei deutsche Flugzeuge durch. Dieser kleine Platz der Erde bebte buchstäglich unter den Füssen – Explosionen, Explosionen, Explosionen… Und wieder hatten wir Glück. Hätte nur eine feindliche Granate den Stapel mit Munition hinter uns getroffen, wären wir in die Luft geflogen. Aber keine der Granaten traf den Stapel. Was habe ich getan? Zuerst brachte ich Munition an die Kanonen, dann erschienen erste Verwundete. Ich legte ihnen schnell Verbände an und zog sie zur Seite, wo es scheinbar weniger gefährlich war. Einige Kanonen wurden vernichtet. Zuerst stellte die Kanone an der linken Flanke ihr Feuer ein. Dann die zweite von links… Bald feuerte nur die Kanone des Obersergeanten Ivan Grigorjew. Ich half der Artilleriebesatzung. Der Ladenschütze Supoldijarow wurde verletzt. Ich zog ihn zur Seite und legte ihm grob einen Verband an. In diesen Moment setzte eine Explosion restliche Mitglieder der Besatzung außer Gefecht. Ich kam schnell zu sich. Die Artilleristen waren entweder getötet oder schwer verletzt.
Ich lief zur Kanone. Das Geschoss war schon drin. Ich drehte die Kürbelräder… Schuss – ein Panzer brennt. Ich holte noch ein Geschoss, lud… Schuss – noch ein brennt! Ich holte noch ein Geschoss und hörte plötzlich,dass jemand zu mir von hinten läuft. Ich drehte den Kopf um und sah Kommandeur unseres Bataillons zu mir laufen. Krasnonosov lief hinter ihm mit zwei Geschossen her. Für den dritten Panzer benutzte ich zwei Granaten. Noch einige Schüsse – und drei weitere Panzer standen in Flammen. Aus einem der Panzer sprang ein Panzersoldat und schüttelte in unsere Richtung mit dem Faust. Ich schrie: „Schplittergranate!“ Man lud die Kanone. Ich schoss ihm direkt auf den Turm… Den brauchte ich nicht zu töten, aber in bin in solchen Eifer geraten... Azhippo schrie plötzlich: „Panzer links!“ Wir drehten rasch die Kanone um. Ich zielte den Panzer an und drückte auf den Abzug – kein Schuss. Schrie: „Geschoss!“ und drückte ab – kein Schuss! „Geschoss!“ und drückte erneut ab – kein Schuss!! Ich drehte mich um – in anderthalb Meter von mir lag schwer verletzter Azhippo mit einem Geschoss in den Händen, am Munitionsstapel lag verletzter Krasnonosov. Ich nahm das Geschoss von Azhippo, lud und schoss – brennt! Während ich ein neues Geschoss holte, brach sich einer der verbliebenen Panzer in die unmittelbare Nähe der Kanone – auf etwa 60 bis 70 Meter Entfernung. Noch paar Sekunden und er hätte uns zerquetscht. Ich hatte gar keine Zeit zu warten, wann er sich zu mir am günstigsten dreht. Ich zielte ihm grob in die Stirn und schoss. Ein Haufen Funken… Mehr ist nichts passiert. Aber er stoppte seinen Marsch und schoss zurück. In der Erinnerung blieb nur ein Stück blaues Himmels und auf diesem Hintergrund drehte sich in der Luft ein Rad meiner Kanone… Das war mein achter Panzer. Aber den hat man mir nicht zugezählt. Bezahlt bekam ich nur sieben Panzer. Damals zahlte man für jeden abgeschossenen Panzer 500 Rubel. Insgesamt vernichtete unsere Batterie in diesem Gefecht 16 Panzer aus 19. Drei retteten sich, in dem sie sich noch am Anfang des Gefechts Richtung Jakovlevo gezogen sind. Die Aufgabe hat die Batterie erfüllt. Ja, die Aufgabe kostete uns die gesamte Batterie und viele Leben, aber hätten die deutschen Panzer Prohorovka eingenommen, hätte es noch mehr Blut und Opfer gegeben. Ich hatte wieder Glück. Nicht weit befand sich das Kommandozentrale des Kommandeurs des Korps General Popov Aleksej Fjodorovitsch, der die ganze Schlacht mit eigenen Augen gesehen hat. Ich bin ihm sehr dankbar dafür, dass er, wie man mir später erzählt hat, einfach gefordert hat, „diesen Jungen da“ zu retten. Der Vorsitzende der Politikabteilung sprang in den Wagen und fuhr mich buchstäblich aus der Hölle heraus.
Mit Verletzungen am Bein, Rücken und Kopf wurde ich in ein Hospital geschickt. Dort wurde ich sofort operiert. Später erfuhr ich, dass General Popov von meiner Brigadenführung gefordert hat, mich zu finden und im Sanitärbataillon des Korps zu heilen. Drei Gruppen haben nach mir zwei Tage lang gesucht, aber es gab sehr viele Hospitäler und es war verdammt schwierig, mich in der riesigen Strömung der Verletzten zu finden. Nach der Operation brachte man mich in eine große Halle – ich glaube, das was eine Schule. Auf dem Boden lag Stroh und oben drauf Zelttücher. Die Verletzten lagen überall. Bald trug man mich in das Dachgeschoss. Dort waren auch Stroh und Zelttücher, aber es war trotzdem besser. Ich wurde ziemlich schnell fit. In etwa fünf Tagen begann ich Brot, das man uns gegeben hat, zu sammeln, und sobald es schon zehn Stückchen waren, ging ich da weg. Bis zu vollständiger Genesung bin ich nie im Hospital geblieben und bin jedes Mal an die Front weggelaufen. Es gab sehr viele wie ich und es gab auch verschiedene Gründe dafür. Einige wollten unbedingt in ihre eigene Einheit zurück. Die anderen wollten unbedingt in diesen Moment auf der Front sein. Zum letzten Mal wurde ich zum Beispiel vor dem Sturm an Berlin verwundet und lief aus dem Hospital weg, um an dieser letzten Schlacht unbedingt teilzunehmen. Und hier bin ich noch vor dem Sonnenaufgang weggelaufen und am Vormittag kam der Vorsitzende der Sonderabteilung des Korps, um mich abzuholen. Und ich lief in dieser Zeit auf der Straße, war hungrig – alles längst verdrückt. In einem Dorf bat ich eine Bauerin um Essen. Sie sagte: „Ich habe nur Maisgrieß.“ Das war ja ein Delikates! Und dazu noch mit Milch! Wie ein Kälbchen aß ich alles weg, was man mir gab, bedankte mich und ging weiter. Da fuhr ein LKW. Ich hielt ihn an, sagte dem Fahrer, dass ich zu meiner Einheit ging, und der ließ mich hoch zu klettern. Der Wagen fuhr Brot und oben saßen zwei Soldaten zur Wache. Ich wurde schläfrig und durch den Halbschlaf hörte ich, wie die Soldaten über einen Sergeanten reden, der „die Tiger wie der Gott eine Schildkröte ausgeschlachtet hatte“. Erst viel später verstand ich, von wem sie geredet hatten. Das war wohl der LKW einer der Brigaden meines Korps. Als wir ankamen, bat ich einen Offizier mir zu zeigen, wie ich meine Einheit finde. Er war gut und informierte seinen Vorgesetzten, dass solch einer – ich – die 58. Motorisierte suchte. Ihm sagte man: „Halten Sie diesen Soldaten bei euch, bis ich komme“. Der Offizier verstand das wortwörtlich. Ich sah, wie neben mir ist ein Schütze mit der Maschinenpistole erschien. Egal wohin ich ging, er folgte mir. Zu nah kam er aber nicht – hielt sich auf einer Entfernung. Auf einem Motorrad mit Anhänger kam der Vorsitzende der Sonderabteilung. „Setze dich.“ Wir fuhren ca. 100 Meter weg, er hielt an und sagte mir: „Mischa, ich gratuliere!“ – „Wozu?“ – „Weißt du etwa nicht?! Man hat dich zum Helden der Sowjetunion vorgeschlagen!“ Ich machte eine frohe Miene, weil ich gut wusste, dass „das Vorschlagen“ noch nichts bedeutete.
Man hat mich noch eine Woche im Hinterland, im Sanitärbataillon heilen lassen. Es verging ein Monat. Der General fuhr mich in alle Einheiten, ließ mich vor den jüngeren Soldaten Rede halten. Ich erzählte etwas. Der Wagen kam an die vorderste Linie der Front mich abzuholen. Der Fahrer kam und berichtete: der General rief mich zu sich. Der Kommandeur der Batterie und der Kommandeur der Division trugen saure Mienen. Na und?! Befehl ist Befehl. Ich fuhr zum General und berichtete, dass ich laut seinem Befehl angekommen war. Wir gingen mit ihm ins Haus, wo er wohnte. Er hatte eine Frontfrau. Hier bekam er auch seine Tochter – Polina. Wir setzten uns zum Tisch, aßen, trunken. Ich fragte: „Genosse General, aus welchem Grund?“ – „Ist dir schlecht hier?“ – „Nein, sehr gut.“ – „Na, dann rede hier mit meiner Frau und ich habe noch viel zu tun.“ Zwei bis drei Tage blieb ich öfters bei ihm da. Ich konnte nicht verstehen, was er von mir wollte. Jetzt denke ich, dass er einen Sohn haben wollte. Er war fast 50 und ich sah wie ein 15jähriger aus. Vielleicht deswegen… Vielleicht wollte er mir aber auch einfach eine Ruhepause geben und zog mich deswegen von der vordersten Linie öfters ab…

*****
…Am 10. Januar bekam Michail Borisow seinen Orden des Helden der Sowjetunion. Er überlebte den Krieg, wurde noch mehrmals verletzt. Die Zahl der von ihm vernichteten deutschen Soldaten und Panzern erhöhte sich noch. Er war einer der wenigen, wer bis an Berlin kam, und einer der vielen, wer in den letzten Tagen des Krieges auf die Reichskanzlei geschossen hat und an den Wänden des Reichstags sein Autogramm hinterlassen hat.

Der Originaltext ist nicht bis zu Ende übersetzt, aber ich bin der Meinung, dass der übersetzte Teil die wichtigsten Momente, die ich zu euch bringen wollte, bereits enthält.

Hier http://www.sudden-strike.ru/history/detail.php?ID=3078
gibt es noch einige Karten. An einer davon kann man sich gut vorstellen, wo sich diese Schlacht genau entwickelte.

Danke für eure Aufmerksamkeit. Ende.
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Beitrag von Panzergrenadier »

Eine sehr interresante Geschichte :!:
Respekt vor der ganzen Übersetzungsarbeit :wink:

gruß

Dominik
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Verkauf deinen Kühlschrank und fahre in die Welt hinaus.
Wojciech Cejrowski
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Beitrag von Diplomat »

gut gemacht danke für die mühe. *daumen hoch*

war viel arbeit ich hätte es nicht geschaft^^

liebe grüße Diplomat
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weiser_fuchs
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Beitrag von weiser_fuchs »

Anscheinend habe ich für mich ein neues Hobby entdeckt. :wink:
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GeorgiSchukow
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Beitrag von GeorgiSchukow »

Welches mir nur gelegen kommt,ich mag solche Geschichten,danke für die Arbeit :wink:
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Beitrag von Diplomat »

weiser_Fuchs: was machst du beruflich das es dir das übersetzen soviel spaß macht?
@GregoriSchukov nicht nur dir gefallen diese geschichten^^ ich bin auch sehr froh wenn ich gute zu lesen bekomme=)

und nochmal ein lob an den übersetzer^^
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weiser_fuchs
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Beitrag von weiser_fuchs »

Bin Geheimagent der KGB. :wink:
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Beitrag von Diplomat »

jaja das ist doch mal was :D :lol:
Ne mal im ernst ^^
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weiser_fuchs
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Beitrag von weiser_fuchs »

Nein, sorry, das sage ich nicht. Nur eine Anmerkung: ich arbeite. Punkt.

Hast du die Geschichte über Sirotin oben gelesen? Was hälts du von dem Gedanken über Artilleristen-Asse, die ich dort niedergeschrieben habe? :idea:

Übrigens... :wink: Dein Deutsch ist nicht schlechter als meins und du könntest mir mal helfen! Hier im Westen mangelt es offensichtlich an wirklich wahren Geschichten über die Sowjets. :!:
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